Auch wenn wir den Sommer gerne noch etwas ausdehnen würden, der Herbst ist gekommen und in den Firmen und Unternehmen bricht das letzte Quartal an. Das ist in der Regel auch die Zeit, das Jahr Revue passieren zu lassen, die Kennzahlen genauer zu analysieren, die Zielerreichung zu überprüfen und im letzte Quartal meist noch einmal richtig Gas zu geben, um einen guten Jahresabschluss hinzulegen. Auch für die Führungkräfte und Mitarbeiter*innen stehen wichtige Entscheidungen an, da in den meisten Unternehmen das Erreichen geschäftlicher, fachlicher und persönlicher Ziele mit Bonuszahlungen und Gratifikationen verknüpft sind. Auch diese werden i.d.R. im Rahmen der Jahresabschlussaktivitäten bewertet und festgelegt.

Zeit für uns also, in diesem Beitrag etwas näher die Jahresabschlussbeurteilungen und -gespräche zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter*innen zu beleuchten. Unsere grundsätzliche Empfehlung ist: Beurteilen und fördern Sie Ihre Mitarbeiter*innen systematisch und über die Einschätzung des Potentials anstatt eine Beurteilung der Defizite und Schwächen vorzunehmen!

Um das Potential der Arbeitnehmer*innen zu erkennen und einschätzen zu können, gilt es den Menschen und seine Leistung als Ganzes kennenzulernen. Potentialeinschätzungen sind immer Schlussfolgerungen, die sich einerseits aus der Produktivität und der Leistungsbereitschaft und andererseits aus grundlegenden Verhaltens- und Eigenschaftseinschätzungen ableiten lassen.

Wikipedia definiert Potential (von lat. potentia: Stärke, Macht) als eine „Fähigkeit zur Entwicklung“. Auf persönlicher Ebene finden folgende Attribute als wichtigste Potentialfaktoren für den späteren Erfolg der Mitarbeiter*innen Erwähnung: Führungs- und Beeinflussungsmotivation, Analysevermögen und intellektuelle Kompetenz, Leistungsmotivation, Flexibilität im Kommunikationsverhalten.

Dabei ist zu bedenken, dass die Potentialanforderungen von Unternehmen zu Unternehmen, und zum Teil auch von Abteilung zu Abteilung variieren. Jedes Unternehmen, jeder Bereich und jede Abteilung hat unterschiedliche Kompetenzfelder, die sie entwickeln und bewerten möchten. Diese ergeben sich aus der Unternehmenskultur wie auch den Anforderungen an die Positionen selbst.

Der Prozess der Beurteilung am Jahresende
Die Potentialbeurteilung ist ein systematischer Prozess. Er lässt sich in die drei Stufen “Beobachten, Beschreiben, Bewerten” untergliedern, heißt konkret:
1. “Beobachten” in erfolgskritischen Situationen hinsichtlich Verhalten und Arbeitsleistung in möglichst vielen Situationen über den gesamten Beurteilungszeitraum hinweg. Eine individuelle Stärken/Schwächenanalyse bietet hierfür meist den Grundstein.
2. “Beschreiben” der fachlichen und persönlichen Auffälligkeiten sowohl im Positiven als auch in den entwicklungsfähigen Feldern. Nur so wird die daran anschließende Bewertung nachvollziehbar.
3. “Bewerten”: In der letzten Phase fließen die gesammelten Beobachtungen und Beschreibungen in ein standardisiertes Bewertungsschema ein.

Das standardisierte Bewertungsschema
Um einen transparenten und vergleichbaren Beurteilungsprozess für alle Beteiligten sicherstellen zu können ist ein standardisiertes Bewertungsschema eine wichtige Grundlage. Dabei sichert ein strukturierter Beurteilungsbogen auch die Objektivität. Zudem erlaubt er die Quantifizierung der Attribute. Diese können bspw. anhand einer 4er Skala von von „kaum vorhanden“ über “vorhanden”, “ausgeprägt” bis „herausragend ausgeprägt“ erhoben werden. Unser Tipp ist hier, bei der Skala keine sog. “natürliche Mitte” in der Bewertung anzubieten, heißt also immer auch ungerade Skalen zu gehen, da sonst in der Regel die Beurteilenden zur Bewertung der Mitte neigen und Ausprägungen in den Bewertungen vermeiden.

Beurteilungsmerkmale
Standardisierte Beurteilungsmerkmale, die im Rahmen eines Beurteilungsbogens Anwendung finden, sind bspw.:

  • Kenntnisse: Fachliches Know-How
  • Fähigkeiten: Analytisches Denken, Teamfähigkeit, soziale Kompetenz, Potentialfaktoren
  • Arbeitsergebnisse: Quartalszahlen, Mitarbeiterzufriedenheit, Verkaufserfolge
  • Verhalten: Aufgeschlossenheit, Gewissenhaftigkeit, Belastbarkeit

Von elementarer Bedeutung ist dabei die Gleichbehandlung aller Mitarbeiter*innen. Die Beurteilung muss zum gleichen Zeitpunkt stattfinden und die Informationen müssen nach gleichen Spielregeln und Bewertungsmaßstäben erhoben werden.

Die Rolle der Beurteilenden
Die Qualität eines Beurteilungsverfahrens ist zudem auch stark an die Fähigkeiten der Führungskräfte zur objektiven Einschätzung gebunden. Selbstkritik und das Reflexionsvermögen der Manager*innen sind hier gefragt!

Effekte, die die Validität und Objektivität der Bewertung gefährden und zu einer Verzerrung der Ergebnisse führen, sind bspw.:

  • Milde-Tendenz: Tendenz eher wohlwollende, positive Urteile abzugeben.
  • Strenge-Tendenz: Kritische Grundhaltung, hervorgerufen durch einen hohen Leistungsstandard oder eine unrealistisch hohe Erwartungshaltung.
  • Tendenz zur Mitte: Tendenz, Extremurteile zu vermeiden
  • Halo-Effekt (Überstrahlungseffekt): Von einem anfänglichen Gesamteindruck wird auf weitere Eigenschaften der Mitarbeiter*innen geschlossen.
  • Hang zum Stereotypisieren: Die Beurteilenden bedienen sich verschiedener Vorurteile/Zuschreibungen, die sozialen/beruflichen Gruppen anhaften.
  • Sympathie/Antipathie-Effekt: Von der Persönlichkeit der Mitarbeiter*innen wird auf die Beurteilung geschlossen.

Ebenso können situative Stimmungs- und Umgebungseffekte in die Mitarbeiterbeurteilung mit einfließen. Jede/r Beurteiler/in sollte sich daher vergewissern, ob sie/er zu den oben genannten Effekten neigt, seine Meinung kritisch hinterfragen und ggf. weitere Beobachter*innen mit einbeziehen. Bitten Sie Ihre Kollegen*innen nach deren Einschätzung! Dies vermeidet subjektive Verzerrungseffekte und erhöht die Objektivität.

Wir hoffen, Ihnen einen guten Überblick über das Thema Jahresabschluss-  bzw. Potentialbeurteilung gegeben zu haben, und freuen uns, uns mit Ihnen im Rahmen eines unserer Seminare persönlich darüber auszutauschen. Darüber hinaus bieten wir Ihnen Seminare und Coachings zum Thema an, beraten Sie gerne bei der Entwicklung und Implementierung von Beurteilungssystemen, erarbeiten mit Ihnen Ihren persönlichen Potentialbeurteilungsbogen und zeigen Lösungswege auf, wie der Prozess der Mitarbeiterbeurteilung produktiv und effizient bewerkstelligt werden kann. Sprechen Sie uns gerne direkt an!