Der professionelle Umgang mit Feedback
Die erste Hälfte des Jahres ist vergangen und in vielen Firmen und Unternehmen, die Zielvereinbarungen mit ihren Führungskräften und Mitarbeiter*innen vereinbaren, ist es in den letzten Jahren zur Gewohnheit und Praxis geworden, diesen Zeitpunkt für ein formalisiertes Zwischenfazit zu nutzen. Die Vorgesetzten und Mitarbeiter*innen betrachten dabei gemeinsam die vereinbarten Ziele und bewerten deren Erreichung bzw. Erreichbarkeit und weitere Relevanz. Oftmals wird dieser Zeitpunkt auch für ein offizielles Zwischenfeedbackgespräch genutzt und dokumentiert. Zeit also, in unserem aktuellen Beitrag etwas näher auf den professionellen Umgang mit Feedback einzugehen.
Die Erkenntnisse der psychologischen Lernforschung sind eindeutig: positives Feedback (Verstärkung) wirkt besser als negatives Feedback (Bestrafung). Doch Praktiker schwören oft darauf, dass Leistung nicht nur durch Lob gehalten oder gesteigert werden kann, sondern auch das Aufzeigen von Entwicklungsfeldern und Verbesserungspotentialen unabdingbar sind. Außerdem führe viel Lob oft dazu, dass sich die Mitarbeiter ausruhten und ihre gerade gepriesenen Leistungen nach dem positiven Feedback wieder abfallen, so eine gängige Meinung. Woher stammt dieser Konflikt zwischen Theorie und Praxis?
Wirtschaftsnobelpreisträger und Psychologieprofessor Kahnemann erklärt die Wahrnehmung der Praktiker so: Die Statistik ist schuld, dass der Vorgesetzte den Leistungsabfall direkt nach seinem Lob so stark wahrnimmt. Zumindest bei kreativen und sehr facettenreichen Tätigkeiten ist eine gleichmäßig hohe Qualität nicht haltbar und nicht wahrscheinlich. Daher ist es ganz normal, dass auf eine besonders gute Einzelleistung eine etwas schlechtere folgt.
Doch warum ist Rückmeldung überhaupt so wichtig für uns? Kritik und Lob sind der Orientierungsmaßstab unserer Arbeit. Der richtige Umgang mit Kritik ist wichtiger Bestandteil des Berufslebens und ein Zeichen von Professionalität jedes Vorgesetzten. Kritik ist die Kunst der Beurteilung und der Infragestellung. Dies gilt für positive wie negative Rückmeldungen. Besonders wichtig ist der Unterschied zwischen konstruktiver und destruktiver Kritik sowie die Differenzierung zwischen Kritik am Menschen und Kritik am Verhalten eines Menschen. Ersteres sollte im Beruf selbstverständlich ein Tabu sein. Niemand wird dafür eingestellt und bezahlt, dass er so und so ist (ist intelligent, ist engagiert, ist nett, ist offen für Neues, ist gut erzogen), vielmehr wird laut Stellenbeschreibung von ihm erwartet, dass er sich auf eine gewisse Weise verhält (denkt mit, strengt sich an, bildet sich weiter, hört zu, gibt Auskunft, verbreitet keine Missstimmung im Büro).
Der wesentliche und keineswegs spitzfindige Unterschied ist, dass jemand privat und als Mensch weder manipuliert noch angegriffen werden darf und der Versuch, einen Menschen in seinem Innersten zu „verbiegen“ ohnehin zum Scheitern verurteilt ist. Das Verhalten hingegen kann man sehen, messen und beeinflussen, sowie verbessern, und mithin: managen.
Achten Sie auf richtiges Timing
Das Feedback sollte bei positiver wie negativer Beurteilung möglichst nahe am (zu kritisierenden) Ereignis liegen. Wochen später braucht man kaum noch auf eine Wirkung zu hoffen, einige Vorgesetzte geben nur einmal im Jahr ein sog. Abschlussfeedback und erreichen damit überhaupt nichts. Im schlimmsten Fall wird – und diese Verhaltensweise ist überaus kontraproduktiv! – bereits vor dem Ereignis negatives Feedback gegeben („mal sehen, ob Sie das diesmal schaffen…“). In diesem Beispiel wird außerdem wieder die Person angegriffen. Besser ist die Formulierung: „Ich weiß, letztes Mal hatten Sie damit so Ihre Schwierigkeiten, Herr/Frau X. Ich traue es Ihnen aber durchaus zu. Fragen Sie mich frühzeitig um Rat, wir schaffen das ganz sicher!“ Die Frage ist nämlich: Wenn man einer Person eine Aufgabe nicht zutraut, warum überträgt man sie ihr dann überhaupt? Erlaubt ist natürlich positives Feedback im Voraus: „Letztes Mal war Ihre Präsentation goldrichtig! Danke dafür. Und diesmal bitte wieder genauso!“
Auch in stressigen Momenten sollte äußerst vorsichtig und konstruktiv kritisiert werden. Lob ist in hektischen Zeiten allemal wichtiger und hilfreicher als Tadel. Wenn Verhaltensweisen unter Stress korrigiert werden müssen, dann möglichst freundlich und mit der Gelegenheit des Gegenübers, sich darauf einzustellen und gegebenenfalls seine Misere zu schildern. Welche Regeln sollte ich nun beachten?
Fassen Sie sich kurz
Erklären Sie klar und deutlich, was Sie gut finden und was Sie stört. Verwenden Sie Ich-Botschaften („Ich habe das Gefühl, Sie hören mir nicht zu“ statt „Sie sind nicht bei der Sache“) dadurch fühlt sich der Andere nicht angegriffen und ist offener für eine Lösung. Sie halten es zumindest rhetorisch für möglich, dass Sie sich auch irren könnten!
Beschränken Sie sich auf Fakten und auf konkrete Situationen
Machen sie Ihre Kritik nachvollziehbar, im Positiven wie im Negativen. Anstatt also zu loben: „Sie sind die Größte“ sagen Sie besser: „Ihre Berechnungen sind seit einem Jahr ohne Fehler, ich bin sehr glücklich, dass ich Ihnen damals diese Aufgabe gegeben habe, vielleicht möchten Sie in der Richtung mehr übernehmen?“. Statt des Tadels „bei Ihnen klappt in letzter Zeit aber auch gar nichts“ wäre angebrachter: „Wenn Sie zu spät kommen wie heute und letzten Dienstag auch schon, fühlen sich die anderen im Team erstens allein gelassen, zweitens mache ich mir Sorgen, ob Ihnen was zugestoßen ist und drittens erweckt dies den Eindruck, Sie seien mit dem Kopf woanders als beim Projekt und ich habe Probleme, Ihnen am Jahresende in dem Punkt eine gute Bewertung zu geben!“
Üben Sie Kritik, ohne dass der andere sein Gesicht verliert!
Dies hängt eng mit dem oben angesprochenen Punkt zusammen, stets das Verhalten, nie die Person zu kritisieren. Die edlen Verhaltensweisen der höfischen Kultur verlangten einst, dem Gegenüber unter allen Umständen zu ermöglichen, sein Gesicht zu wahren. Daraus ergab sich, dass es unhöflich ist, jemanden vor aller Augen bloß zu stellen. Kritisieren Sie also unter vier Augen oder in kleinen Gruppen. Anwesend sind dabei ausschließlich die wirklich beteiligten Personen.
Hüten Sie sich vor Rundumschlägen
Destruktive Kritik aus der Reihe „Du taugst sowieso nichts“ führt dazu, dass sich Ihr Gegenüber vor Ihnen verschließt. Damit ist diese Person auf Dauer für Sie als Vorgesetzter nicht mehr ansprechbar und Sie können diese/n Mitarbeiter*in nicht mehr weiterentwickeln – eine der Hauptaufgaben als Führungskraft. „Die Luft rauslassen“ ist hier der unprofessionelle Fehler der Manager, darauf eventuell folgende trotzige Reaktionen des Gegenübers oder der Rückzug in die Passivität sind natürliche Folgen.
Lassen Sie einen Ausweg oder eine Lösung offen
Suchen Sie bei kritischem Feedback am besten gemeinsam nach einer Lösung und bieten Sie einen Kompromiss an. Ziel ist nach wie vor, eine Verbesserung zu erreichen. Die meisten Verbesserungen sind nicht sofort vonnöten, sondern können notfalls auch erst nach einiger Zeit erreicht werden. Vorgesetzte, die den Mitarbeiter*innen ermöglichen, die Verbesserungsmöglichkeiten von sich aus zu analysieren und zu meistern, haben „ein gutes Händchen“ und werden Teams sehr erfolgreich leiten.
Wem darf ich Feedback geben?
Professionelle Kritik, ob positiv oder negativ, darf man prinzipiell jedem geben. Oft sind es zum Beispiel gerade die Chefs, die wenig ehrliches Feedback erhalten. Sie müssen entweder allein in ihrem „Elfenbeinturm“ grübeln, wo ihre Stärken und Schwächen liegen oder sie hätten einfach auch gern einmal den Satz gehört: „Sie sind ein guter Chef, weil…“.
Mitarbeiter*innen, Angestellte von Fremdfirmen und Kolleg*innen bis hin zu Praktikant*innen sind allesamt angewiesen auf positive und negative Rückmeldungen. Ohne Informationen darüber, was an meinem Verhalten gut ist und was verbesserungswürdig, kann ich weder motiviert bleiben noch mich zielgerichtet anstrengen.
Wie reagiere ich auf Kritik?
Zuerst einmal heißt es Ruhe bewahren. Von vornherein in eine Abwehrhaltung zu verfallen bedeutet den frühzeitigen Tod aller gemeinsamen Bemühungen. Diese Verhaltensweise ist außerdem extrem unprofessionell und sollte generell abgestellt werden. Ein bewährtes Mittel ist die Reaktion durch Rückfragen: „Habe ich Sie richtig verstanden, dass Ihr Hauptkritikpunkt ist, dass…?“ Bitten Sie dann um konkrete Beispiele, um die Kritikpunkte verstehen zu können. Fassen Sie die Kritik als Chance auf, sich zu verbessern. Kritik – selbst die bösartigste – kann immer auch als nützliche Information gesehen werden. Vermeiden Sie als nächstes direkte Einwände und trotzige Rechtfertigungen. Sie wirken wenig souverän, wenn Sie die Schuld von sich weisen. Bedenken Sie: wenn ein Anderer oder „die Umstände“ an allem Schuld waren, hatten Sie offensichtlich nicht die volle Kontrolle über die Situation. Übernehmen Sie also Verantwortung für Ihr Handeln und zeigen damit sowohl, dass Sie die Situation verstanden haben als auch, dass Sie es das nächste Mal noch besser machen.
Wie profitiere ich von der Kritik?
„Wer Mängel klar und deutlich benennt, reduziert Defizite und schafft Platz für brauchbare Lösungen“ (nach Kommunikationsfachmann René Borbonus). Wer gut mit Kritik umzugehen weiß, geht gestärkt aus einem solchen Gespräch hervor. Unterscheiden Sie zwischen konstruktiver, brauchbarer Kritik und unsachlichem Angriff. Letzteren ignorieren Sie geflissentlich, während Sie konstruktive Kritik als Kompliment auffassen und beherzigen sollten.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen gute, offene, ehrliche und konstruktive Zwischenfeedbackgespräche, damit Sie die verbleibenden Monate bis zur Jahresabschlussbeurteilung gut nutzen können, die vereinbarten Ziele zu erreichen und am Ende des Jahres keine Überraschung in der Beurteilung auf Sie wartet. Gerne unterstützen wir Sie mit Trainings und Coachings beim Führen kritischer Gespräche oder auch bei Konfliktsituationen durch Mediation. Sprechen Sie uns gerne an.